LEBEN MIT MEINER SCHUPPENFLECHTE

AGI BERGER; KÖLN 02.05.1998

Psoriasis - Schuppenflechte - eine nicht ansteckende

Chronische Erkrankung der Haut und der Gelenke

 

An dieser Krankheit stirbst du nicht .......

 

Es war einmal ein kleines Mädchen, das hatte bereits beim Schulsport Schwierigkeiten bei bestimmten Bewegungen. Um eine Urkunde bei den Jugendsportkämpfen zu bekommen, mußte eine Punktzahl von 100 erreicht werden.

Laufen, Springen, das ging alles sehr gut. Aber der Weitwurf ....., 7 m, wie blamabel.

Das kleine Mädchen erreichte immer nur 99 Punkte.

Warum konnte es nie einen Ball werfen ???????

Mit 13 Jahren kam dieses Mädchen in die Lehre. In einem Kaufhaus machte es eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, in der Abteilung Konfektion. Konfektion mußte immer am Bügel getragen werden. Einfach über den Arm legen, nein, das durfte kein Kunde sehen.

Gegen Ende des 1. Lehrjahres traten Gelenkschmerzen im Ellenbogen und der Schulter des rechten Armes auf. Keiner glaubte dem Mädchen die Schmerzen. Es wurde sogar beschimpft, es wolle nicht arbeiten oder sich davor drücken.

Wer hat schon mit 14 Jahren Schmerzen? Wer hat ihr geglaubt?

Es mußte die Hilfe seiner Mutter beim Anziehen in Anspruch nehmen. Das Führen einer Gabel oder des Löffels zum Mund ging nur noch, wenn der rechte Arm mit dem Linken geführt wurde. Die Besuche beim Orthopäden wurde zur Regelmäßigkeit. 

Mit 14 bekam dieses Mädchen eine Erholungskur. Eine Badekur, die vielleicht sinnvoller gewesen wäre, gab es erst ab 15.

Dieses Mädchen ging trotz aller Schmerzen in die Tanzschule. Sie lernte dort einen jungen Mann kennen und heiratete mit 19Jahren. Mit 19 bekam sie ihre Tochter.

Mit der Schwangerschaft waren auch Hauterscheinungen an der Kopfhaut aufgetreten. Die Besuche beim Hautarzt wurden zur Regelmäßigkeit.

Als die Tochter 4 Jahre alt war, mußte die junge Frau wegen starker Gelenkschmerzen ins Krankenhaus. Da wußte man wieder nichts mit ihr anzufangen.

Sie hatte ja nur Schmerzen....... die Befunde waren wie immer alle O.K.

Sie bat ihren Stationsarzt um eine Salbe für die Kopfhaut, denn sie hatte das Gefühl, diese wäre viel zu klein. Der Stationsarzt hat sich das angesehen und einen Hautarzt hinzugezogen. Dann hat dieser Hautarzt zum ersten Mal die richtige Diagnose gestellt.

Erst 10 Jahre nach Ausbruch der Krankheit wurde die Psoriasis-Arthritis diagnostiziert.

Ein Hautarzt hatte in der Zwischenzeit schon mal von einer Schuppenflechte gesprochen, aber der jungen Frau auch erklärt:

Mit der Krankheit mußt du leben, aber.....an dieser Krankheit stirbst du nicht.....

 

Sollte DAS ein Trost sein ???????

 

Mein Fazit heute : An der Krankheit nicht ....

....höchstens an der notwendigen Behandlung !

 

In meiner langjährigen Laufbahn als chronisch Kranke, habe ich viele Erfahrungen gemacht und machen müssen. Zuerst rannte ich von einem Arzt zum anderen, in der Hoffnung, die Krankheit geht ja mal wieder weg. Bis ich irgendwann begriff, daß es um eine chronische Erkrankung, also um eine nicht heilbare Krankheit geht. 

Heute bin ich 54 Jahre alt und lebe mit dieser Krankheit seit nunmehr 40 Jahren. Ich habe seither " kaum einen Tag ohne Schmerzen " erlebt. Mittlerweile sind eigentlich alle Gelenke meines Körpers betroffen. " Das fängt bei den Zehen an und hört bei den Kiefergelenken auf ". Dabei findet ein ständiger Wechsel statt, ein dauerndes Auf und Ab. Mal sind es die Arme, dann die Beine, dann wieder die Hände, ohne daß irgendeine durchgreifende Veränderung des Verlaufs zu beobachten wäre.

Solange die Krankheit nicht sichtbar ist, wird man sehr schnell zum Simulanten erklärt. Wie bei vielen Psoriatikern ist auch meine Krankengeschichte eine endlose Kette letztlich erfolgloser Behandlungsversuche.

Es fing mit Elektrotherapien an, ging weiter mit Strecken der Halswirbelsäule durch Aufhängen, mit Spritzen in Hals- und Schulterbereich, mit Röntgentiefenbestrahlungen ........... und das war nicht das Ende.

Inzwischen habe ich das ganze Spektrum der heute gängigen Psoriasis-Behandlungen, einschließlich der Fumarsäure, Cortison-Behandlung und Methotrexat (Zytostatikum), durchgemacht, und natürlich die Rheumamittel. 

Anders als bei den Hauterscheinungen kämpfe ich einen inneren, von außen nicht sichtbaren Kampf. Mit einer Dauereinnahme von Schmerzmitteln renne ich gegen die Folter meines Körpers an.

" Die Behinderungen, die die Arthritis mit sich bringt, empfinde ich inzwischen nicht mehr so schlimm.

Ja gut,   .....dann bekomme ich eben den Arm nicht mehr gerade,

             ......dann bekomme ich eben meine Finger nicht mehr ganz krumm,

             ......dann muß ich halt die Tasse anders anfassen.

Mit diesen Behinderungen kann ich leben! Aber die Schmerzen machen mich fertig! "

Ich nehme täglich große Mengen von Schmerzmitteln ein. Die Nebenwirkungen, die sich damit einstellen, muß ich zwangsläufig in Kauf nehmen. Regelmäßige Kontrollen des Blutbildes und der Augen sind erforderlich. Ab und an ist auch eine Magenspiegelung nötig, wenn die Medikamente den Magen zu sehr belasten. Mehrere Krankenhausaufenthalte waren in den letzten Jahren erforderlich, um mal wieder eine neue Basisbehandlung - zur Ablösung einer nicht erfolgreichen – einzuleiten.

Dazu kamen im Wechsel etliche Kuren für die Gelenke, aber auch Kuren und Klimaheilbehandlungen am Toten Meer für die Haut.

Bei Krankenhausaufenthalten und Kuren durch die BfA, gab es keine Probleme der Kostenübernahme. Bei den Aufenthalten am Toten Meer ging der Kampf um die Finanzierung oder auch nur Teilfinanzierung mit der Krankenkasse los. 

In der Zeit von 1981 – 1988 war ich 7 x in Israel. Immer war es in meinem Urlaub.

5 x habe ich, bis auf die Behandlungskosten, alles selber bezahlt.

Damals waren viele noch der Meinung, daß ich und alle die dort eine Behandlung machten, einen schönen Urlaub auf Kosten der Krankenkasse verbrachten. Diese Ansicht hat sich zwischenzeitlich geändert. Heute tragen sogar einige Krankenkassen die Kosten voll. Inzwischen fahre ich nicht mehr ans Tote Meer, weil mir einfach die Behandlung dort, 6-8 Stunden Sonnen, davon bis zu 2 Stunden im Wasser, zu anstrengend ist.

Nachdem ich bei meinem letzten Aufenthalt Schwierigkeiten mit dem Kreislauf hatte, mußte ich auch hier den Nutzen und das Risiko abwägen. 

Ich habe längst so etwas wie eine Abhängigkeit von Medikamenten entwickelt. Das ist keine körperliche Abhängigkeit im üblichen Sinn, sondern etwas, das ich "Zeitabhängigkeit " nenne. Die Medikamente lindern zwar für eine gewisse Zeit die Qual, ihre Wirkung setzt aber erst Stunden nach der Einnahme ein. Ich muß also ständig im voraus " planen " und Tabletten und Zäpfchen nach einem genauen Zeitplan einnehmen. Vergesse ich eine Tablette, so handele ich mir einen halben Tag oder eine Nacht sinnloser Schmerzen ein. Da läßt sich nichts mehr verhindern.

Es ist eine schreckliche Art der Abhängigkeit von chemischen Mitteln. 

Schmerzen sind unsere privatesten Empfindungen. Niemand kann sie mit uns teilen oder sie uns gar abnehmen. Jeder muß für sich damit zu Rande kommen.

Ich habe meinen Kampf gegen die Schmerzen immer alleine geführt. Auch die Ärzte haben mir da – außer durch das Verordnen von Medikamenten – nicht helfen können. Oft habe ich mich im Stich gelassen gefühlt.

Die meisten Ärzte mit denen ich zu tun hatte, wußten wenig bis gar nichts über meine Krankheit. Einen Fortschritt in der Behandlung konnte ich erst feststellen, nachdem ich begonnen hatte, mich selber zu informieren. Klinikärzte sind im allgemeinen Experimenten gegenüber eher aufgeschlossen, und es gab Phasen, da fühlte ich mich als Versuchskaninchen. So finde ich es richtig, selber mal Behandlungsvorschläge zu machen. Alternative Behandlungen habe ich nicht ausgelassen, z.B. beim Heilpraktiker, der mich viel Geld kostete. - Ein Versuch war es wert.

Allgemein wünsche ich mir eine bessere psychologische Betreuung von den Medizinern. 

 

An dieser Krankheit stirbst du nicht ........ 

 

Zu all den Behandlungen, die ich für meine Gelenke benötige, Medikamente, Gymnastik, Einlagen bis hin zu orthopädischen Schuhen, kommt auch noch die Behandlung der Haut.

Eine intensive Behandlung kann ein paar Stunden in Anspruch nehmen. Solange ich berufstätig war, ging das nur am Wochenende. Mit Salben und Ölpackungen habe ich, je nachdem welche Hautpartie betroffen war, abgeschuppt. Ölbäder, Salzbäder und anschließende Bestrahlung unterstützten ein vorübergehendes Abklingen der Symptome auf der Haut. 

Natürlich könnte ich auch für die Hautbehandlung Medikamente einsetzen. Hierbei muß ich die Verträglichkeit und Nebenwirkungen dieser Medikamente zusätzlich zu der Verträglichkeit und Nebenwirkungen der Rheumamittel und der Verträglichkeit und Nebenwirkungen der Basistherapie, sowie Verträglichkeit und Nebenwirkungen der Bäder, Bestrahlungen, Salben, Cremes, Tinkturen und Ölpackungen, in Erwägung ziehen.

 

Aber was hat ein Arzt mir mal gesagt ????? 

 

An dieser Krankheit stirbst du nicht ......

 

Mein Hausarzt machte in all den vielen Jahren die Laborkontrolle.

Des öfteren kam der Kommentar:

Müssen wir wieder prüfen, was ein Mensch so alles verkraften kann? 

Bis 1993 habe ich das Methotrexat als Basisbehandlung für meine Gelenke eingesetzt. Mir war nach einigen Jahren der Einnahme nur noch übel. Ein Rheumatologe warf mir sogar mal vor, ich sei zu informiert, daher könnte die Behandlung bei mir nicht ansprechen. Ich setzte das MTX ab. Nach Absetzen des MTX war mir nicht mehr übel. Mein Allgemeinbefinden stabilisierte sich, jedoch erfolgte ein rapider Aufschwung meiner Hautbeteiligung. So stark wie heute, war meine Haut noch nie betroffen. In den letzten 5 Jahren hat so gut wie keine der angebotenen Hautbehandlungen mehr angesprochen. 

Ein Hautarzt bestätigte mir:

Jemand der mit MTX für die Gelenke behandelt wurde, ist im Anschluß für eine Hautbehandlung versaut!

Heute nehme ich meine Rheumamittel, Cortison und natürlich für die Haut alle möglichen Pflegemittel. Für die stark betroffenen Gelenke erhalte ich einmal im Jahr eine Radiosynovironthese, das sind radioaktive Spritzen die das Gelenk für eine gewisse Zeit positiv beeinflussen.

Ein Arzt der Rheuma-Liga in Köln sagte mir vor Jahren: "Seien Sie froh, daß Sie nur eine Psoriasis-Arthritis haben, die verläuft ja soooo sanft !!!!!!!!!!!!" 

 

Jedoch die Umwelt ......

 

Eine kleine Geschichte aus 40 Jahren Geschichte:

 

Die Wut packen kann diese Frau, wenn sie, damals gerade 48 geworden, an ein Wartehäuschen der Kölner Verkehrsbetriebe kommt. Zwei ältere Personen, so um die 70, sitzen dort und belegen den dritten Platz mit einer Tasche. Auf die Bitte der Frau hin, sie möchte gerne diesen Sitzplatz, bekam sie die Antwort :" Der Bus kommt ja schon in 5 Minuten. " Als sie erklärte, auch für die 5 Minuten wolle sie den Platz, machte man ihn erbost frei.

Muß sich ein jüngerer Mensch nur weil er behindert ist und nicht wie 70 aussieht, ein Schild umhängen

" Bin behindert, benötige Sitzplatz " ? 

 

An dieser Krankheit stirbst du nicht ......

 

Ich sehe mittlerweile einfach nicht mehr ein, warum ich wegen meiner Krankheit auf irgend etwas verzichten soll. Das mag verbittert klingen, aber mit der Zeit wird man egoistisch. Ich habe gelernt, daß ich auch etwas für mich tun kann, ...... ganz alleine für mich. 

Mit einem Grad der Minderung der Erwerbstätigkeit von 30 % habe ich 1976 meine erste Bescheinigung vom Versorgungsamt erhalten. Heute läuft mein Behindertenausweis auf 100 % G.

Vor Jahren erhielt ich auf Antrag von der BfA einen Zuschuß zu einem PKW der mit einer Servolenkung ausgestattet für meine tägliche Fahrt zur Arbeit erforderlich war.

Die Stadt Köln – Behindertenfürsorge – finanzierte mir den Umbau meines Badezimmers zu einem behindertengerechten Duschbad. Diese Unterstützung ist nur möglich solange man im Arbeitsverhältnis steht.

An meinem Arbeitsplatz hat mich meine Krankheit wenig eingeschränkt. Der Kontakt zu den KollegenInnen war immer gut, bis auf die rühmlichen Ausnahmen.

Auf die Bitte eine Wasserflasche zu öffnen, kam schon mal der Kommentar:

Ach, geht es dir heute wieder so schlecht ?! 

Im Sommer wenn die Kleidung offener war und die Schuppenflechte an den Ellenbogen sichtbar wurde, kam die Frage:

Bist du gefallen, oder hast du dich verbrannt ? 

Schuppen auf einem dunklen Kragen wurden im Vorbeigehen auch mal weggewischt.

Dies war vielleicht sogar eine Streicheleinheit ?!  

 

Die Beteiligung der Wirbelsäule verhindert mittlerweile längere Spaziergänge. Das Einkaufen wird nur noch mit dem Auto erledigt. Aus dem Kegelklub bin ich ausgetreten. Wenn ich einen schlechten Tag erwische, so fällt es mir bereits schwer meine Rheumatabletten aus der Folie zu drücken, oder die Folie eines Zäpfchens aufzureißen. Ein verordneter Hustensaft oder ein WC-Reiniger, der eine Kindersicherung hat, wird zum Abenteuer.

Mein Mann ist es bereits seit Jahren gewohnt, daß er diese Dinge für mich öffnet, auch das Marmeladenglas und die Wasserflasche.

Wenn er Salzkartoffeln essen möchte, so muß er sich auch schon mal die Kartoffeln selber schälen.  

Aber für viele Dinge gibt es Hilfsmittel und elektrische Geräte, mit denen ich ziemlich gut ausgestattet bin und im Laufe der Zeit gelernt habe, damit umzugehen.  

Seit 5 Jahren erhalte ich eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Der Weg dahin war nicht ganz einfach, denn es ist ein endgültiger Schritt.

Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt. 

 

An dieser Krankheit sterbe ich nicht .....

 

Was hilft mir leben ? 

 

Ich habe meine chronische Krankheit angenommen und gelernt mit ihr zu leben.

Ich habe Mittel und Wege gefunden, die Lebensqualität zu erhalten und alles Positive für mich zu nutzen.

Geholfen haben mir dabei, mein Mann, meine Familie, meine Freunde .......

Auch habe ich LeidensgenossenInnen beim Deutschen Psoriasis Bund gefunden.

Bereits 1977 bin ich dort Mitglied geworden.

 

In der Selbsthilfegruppe habe ich Hilfe erfahren und engagiere mich, um anderen und mir zu helfen, und meine " erlebte " Kompetenz einzubringen.

Ich finde dort Anerkennung und kann anerkennen.

Die Hoffnung, Linderung oder Besserung zu erfahren, habe ich nicht aufgegeben.

 

Ich lasse mich nicht unterkriegen !

 

Durch meinen Beitrag möchte ich ihnen zeigen, daß man auch mit einer chronischen Krankheit leben kann. Mitleid ist hier nicht angebracht.

Wichtig aber ist:      daß man die Krankheit annimmt, auch wenn man erscheinungsfrei ist.

daß man akzeptiert, daß man sie hat.

Aber auch,              daß sich das Leben trotz allem lohnt ...........

 

 

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